"Alles-oder-Nichts" in Bad-Leaver-Klauseln? Wie ein Urteil die Macht- verhältnisse neu justiert

Game Over für "Alles-oder-Nichts" Bad-Leaver-Klauseln? Wie ein Urteil die Machtverhältnisse neu justiert

29. Juli 2025In Recht, Analysen, StartUps & Entrepreneurs, UrteilBy BRONGER.6 Minutes

Worum geht es? Die „Alles-oder-Nichts“-Falle

In der Welt der Startups und Investments sind sie Standard: „Bad-Leaver-Klauseln“ in Gesellschaftervereinbarungen. Sie sollen Investitionen schützen und die Gründer an das Startup binden. Doch die harte Realität sieht oft so aus: Gründer sind nicht immer die besten Manager, und ihre Abberufung als Geschäftsführer löste oftmals ein Bad-Leaver-Event aus – und schon sollen alle mühsam verdienten Anteile für einen symbolischen Betrag weg sein. Ein aktuelles Urteil des Kammergerichts Berlin (Az. 2 U 15/25) vom 19. Mai 2025 schiebt dieser Praxis nun einen Riegel vor und zwingt beide Seiten zum Umdenken.

Die Urteilsbegründung im Detail: Warum viele Bad-Leaver Klauseln unwirksam sein könnten

In dem Urteil ging es genau um diese Konstellation: Die Gesellschaftervereinbarung verwies in ihrer Klausel, unter welchen Umständen Gründer ihre Anteile verlieren (Vesting-Klausel), auf ein Bad-Leaver-Event. Im konkreten Fall waren dessen Voraussetzungen erfüllt, wenn ein (a) Geschäftsführer aus wichtigem Grund iSv. § 626 BGB abberufen wird, und (b) darüber hinaus dahingehend qualifiziert, dass der Abberufung ein vorsätzliches Handeln oder eine strafbare Handlung zugrunde liegt. Die Folge: Der Gründer musste seine Anteile zum Nennwert abgeben – ein quasi Totalverlust.

Genau das hat das KG Berlin als unverhältnismäßig und damit für unwirksam erklärt. Die überzeugende Begründung des Gerichts: Die Hürden für die Abberufung eines Geschäftsführers sind deutlich niedriger als für den Ausschluss eines Gesellschafters. Für eine Abberufung reicht es schon, wenn die Zusammenarbeit „unzumutbar“ geworden ist. Der Zwangsentzug von Gesellschaftsanteilen muss aber immer das letzte Mittel (ultima ratio) sein und setzt etwa eine nachhaltige und grobe Verletzung von Gesellschafterpflichten oder ein tiefgreifendes Zerwürfnis der Gesellschafter, das von dem auszuschließenden Gesellschafter zumindest überwiegend verursacht worden ist voraus.

Indem die Klausel beide Ereignisse – Abberufung und Anteilsverlust – miteinander verknüpft, erlauben die hier gewählten Voraussetzungen für ein Vesting kein anderes, milderes und verhältnismäßigeres Mittel (z.B. die Verwarnung wegen des Fehlverhaltens oder einen befristeten Ausschluss). Diese fehlende Differenzierung macht die Klausel unwirksam.

Was das Urteil für Gründer und Investoren bedeutet

Dieses Urteil ist kein juristisches Nischenthema – es ist ein Weckruf mit handfesten ökonomischen Konsequenzen.

  • Für Gründer & Startups:
    • Mehr Schutz für Ihr Equity: Das Urteil stärkt Ihre Position. Sie sind nicht mehr schutzlos einem Mechanismus ausgeliefert, der operatives Fehlverhalten gleichzeitig mit dem Verlust Ihrer Unternehmensanteile bestraft.
    • Bessere Verhandlungsposition: Nutzen Sie dieses Wissen! In Verhandlungen mit Investoren können Sie auf differenziertere und fairere Regelungen pochen. Eine pauschale „Abberufung = Anteilsverlust“-Klausel sollte nicht mehr akzeptiert werden.
  • Für Investoren (VCs, Business Angels, Family Offices):
    • Achtung, Rechtsrisiko! Standardvertragswerke könnten unwirksame Klauseln enthalten. Im Streitfall bedeutet das: Die Klausel fällt komplett weg, der unliebsame Gesellschafter bleibt mit all seinen Anteilen an Bord. Ihr Investment ist damit schlechter geschützt als gedacht.
    • Der Zwang zur intelligenten Strukturierung: Der „Holzhammer“-Ansatz funktioniert nicht mehr. Der Schutz des Investments erfordert nun eine präzisere und intelligentere Vertragsgestaltung, die einer gerichtlichen Prüfung standhält.

Die Lösung: Smarte Klauseln

Wie können Gesellschaftervereinbarungen nun rechtssicher und zugleich ökonomisch sinnvoll gestaltet werden? Es geht darum, die Interessen beider Seiten fair auszubalancieren. Statt einer starren Kopplung sind abgestufte und differenzierte Regelungen der Weg zum Ziel:

  1. Saubere Definition des „Bad-Leaver“: Der Grund für das Ausscheiden muss klar definiert werden. Gewählt werden sollten daher Anknüpfungspunkte, die einen dauerhaften Anteilsentzug tatsächlich rechtfertigen.
  2. Abgestufte Rechtsfolgen: Die Konsequenzen müssen zum Vergehen passen. Hier bietet sich eine Abstufung der Konsequenzen und der Kompensation der Anteile an, die sich an der Schwere des Verstoßes orientiert.
  3. „Kann“-Bestimmung als Königsweg: Um die Kritik des Gerichts (fehlende Abwägungsmöglichkeit für die Gesellschafter) noch weiter zu entkräften, empfiehlt sich eine Regelung, die den übrigen Gesellschaftern ein entsprechendes Einziehungsrecht einräumt, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit eines milderen Mittels lässt.

Was jetzt für Gründer und Investoren zu tun ist

Das Urteil des KG Berlin beendet die Ära der undifferenzierten Bad-Leaver-Klauseln. Es ist ein klares Plädoyer für Verhältnismäßigkeit und Fairness. Gründer erhalten mehr Sicherheit für ihr Lebenswerk, und Investoren sind gezwungen, ihre Schutzmechanismen intelligenter und damit letztlich robuster zu gestalten.

Für beide Seiten gilt: Standardverträge von der Stange sind ein hohes Risiko. Eine maßgeschneiderte, rechtlich fundierte und ökonomisch durchdachte Gesellschaftervereinbarung ist kein Kostenfaktor, sondern die entscheidende Grundlage für eine stabile und erfolgreiche Partnerschaft.

Disclaimer:

Dieser Artikel wurde von Dr. Björn Bronger, MBA ausschließlich zu Informationszwecken zur Verfügung gestellt, um Ihnen allgemeine Informationen und ein allgemeines Rechtsverständnis zu vermitteln, nicht aber, um Ihnen eine spezifische Rechtsberatung zu geben. Allein durch den Erhalt dieser Mitteilung entsteht kein Mandatsverhältnis zwischen Ihnen und Dr. Bronger. Der Inhalt dieses Artikels sollte nicht als Ersatz für eine kompetente Rechtsberatung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt in Ihrem Rechtsgebiet verwendet werden.

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